Torres Del Paine W-Trek – Das 90 Kilometer Abenteuer in 72 Stunden

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Der Nationalpark Torres Del Paine zählt zu einer der schönsten und eindrucksvollsten Orte in Südamerika. Hier zu wandern ist ein sehr intensives Erlebnis. Neben traumhaften Sonnenaufgängen und majestätische Granitbergen erwarten Dich eben auch extreme (regnerische) Wetterverhältnisse, orkanartige Sturmböen und eiskalte Nächte in Zelten. Der Nationalpark verspricht also ein ultimatives Patagonien-Abenteuer! Den aufmerksamen Lesern unter Euch, welche bereits zu dem Torres Del Paine Nationalpark recherchiert haben, werden sich bestimmt denken: “Was? Torres Del Paine W-Trek, 90 Kilometer in 72 Stunden? Wie kann das sein?” Und ja, ich gebe Euch recht. Normalerweise hat der W-Trek “nur” 74 Kilometer, wofür normalerweise fünf entspannte Trekking-Tage (120 Stunden) kalkuliert werden. Wie es dazu gekommen ist, möchte ich Euch in meinem Erlebnisbericht erzählen. Außerdem gebe ich Euch dabei meine persönlichen Tipps mit auf den Weg.


Übersicht:


Meine Variante des W-Treks

Ich liebe normalerweise das spontane Reisen. Es ist ein schönes Gefühl, einfach im Flow-Zustand unterwegs zu sein. Schließlich besitze auch ich keine Glaskugel, wie das Wetter in drei Wochen sein wird und welchen coolen Leuten man unterwegs so begegnet. Als ich für den Torres Del Paine Nationalpark recherchierte, sollte es also direkt danach in zwei Wochen los gehen. Dabei fand ich heraus, das man mindestens zwei Monate (!) Vorlaufszeit in der Nebensaison sowie sechs Monate (!!) in der Hauptsaison für die Buchung von Unterkünften benötigt. Und ohne reservierte Unterkunft bekommt man keinen Einlass in den Nationalpark! Unfassbar!!! Für den W-Trek in der Laufrichtung von West nach Ost benötigt man beispielsweise folgende Unterkünftige in der genannten Reihenfolge: (Camp Paine Grande,) Camp Grey, Camp Italiano, Refugio Los Cuernos und Refugio Chileno. Außerdem haben die meisten Campingplätze jeweils eine eigene Buchungswebseite – was für ein Planungswahnsinn! Eine Übersicht über alle Unterkünfte im Nationalpark gibt es hier.

Ich ließ mich auf diesen Planungsquatsch mit sechs Monate Vorlaufszeit erst gar nicht ein, wollte jedoch trotzdem meine Wanderung in zwei Wochen durch den berühmten Torres Del Paine Nationalpark beginnen. Also reservierte ich die verbliebenen Unterkünfte, welche kurzfristig eben noch verfügbar waren: zwei Nächte im Refugio Los Cuernos sowie eine Nacht im Camping Centrale, welcher etwas außerhalb des W-Treks lag. Daher waren für mich die Tagesetappen deutlich länger und manche Wege mussten mehrfach begangen werden. Somit musste ich in meiner Variante des W-Treks bei drei Übernachtungen etwa 90 Kilometer sowie knapp 3000 Höhenmeter Auf -und Abstieg überwinden – etwas anstrengender, aber möglich!

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Packliste und Anfahrt für das Patagonien-Abenteuer Torres Del Paine

Das Camping-Equipment (Zelt, Schlafsack und Isomatte) organisiert man sich kostengünstig in Chile. Argentinien sollte man hier aufgrund der deutlich höheren Preise meiden. Für die Verpflegung schleppen manche Outdoor-Abenteurer auch Gaskocher durch die Gegend. Bei nur drei Nächten kam das für mich nicht infrage und stellte daher kurzerhand auf kalte Küche um. Es gab viel Nüsse, Haferflocken und zahlreiche Avocado-Tomaten-Sandwiches. Darüber hinaus kann man das Wasser bedenkenlos aus den Bächen fernab der Campingplätze trinken. Da das patagonische Wetter völlig unberechenbar ist, gilt bei der Klamottenauswahl das klassische Zwiebelprinzip.

Was auch unbedingt beachtet werden sollte im Torres Del Paine Nationalpark ist die Versorgung mit ausreichend Bargeld: Kartenzahlung ist auf dem W-Trek kaum möglich. Außerdem ist man eine Touristenkuh, welche gemolken werden muss! Alles ist teuer, überall und an jeder Stelle bittet man Euch zur Kasse. Beispiele gefällig? Zu den horrenden Kosten für die Unterkünfte (ca. 90,- EUR pro Nacht für einen Platz im Matratzenlager) kommen der Parkeintritt (ca. 30,- EUR) und eine zwingend notwendige Fähre (30,- EUR) dazu. Falls man zu wenig Essen und Trinken mitgenommen hat, kann man sich ja noch eine Scheibe Brot mit etwas Käse (ca. 10,- EUR) und ein hopfenhaltiges 0.4 l Erfrischungsgetränk (ca. 10,- EUR) im Park kaufen – unverschämt.

Hat man die Buchung von Unterkünften und die Versorgung mit Equipment, Verpflegung und Bargeld abgeschlossen, kann das Abenteuer ja losgehen! Die Anreise zum Nationalpark erfolgt von Puerto Natales, wo man sich wiederum sehr gut mit Lebensmitteln eindecken kann. Man erreicht das kleine Städtchen von Ushuaia, Argentinien aus über Punta Arenas, Chile. Dort kann man sich hervorragend mit Camping Equipment kostengünstig versorgen. Die Abfahrt von Puerto Natales erfolgt früh morgens, sodass man mittags den Nationalpark Torres Del Paine betritt.

1. Etappe – Strahlender Sonnenschein vom Glaciar Grey zum Refugio Los Cuernos

Nach der Überfahrt mit einem Katamaran über den strahlend blauen Lago Pehoe startete für mich gegen 12:00 Uhr mittags der W-Trek des Torres Del Paine Nationalparks. Am Camping Paine Grande nach der Überfahrt angekommen, ging es zunächst 10 km nördlich zum Aussichtspunkt Mirador Glaciar Grey. Das Wolkenspiel am Cerro Paine Grande war ein irrer Blickfang! Am Mirador angekommen musste ich leider feststellen, dass der Glaciar Grey mit dichtem Nebel bedeckt ist. Nichtsdestotrotz ist auch der Blick über den Lago Grey völlig phänomenal. Anschließend ging es dann die 10 km wieder zurück und zusätzliche 13 km zum Refugio Los Cuernos, wo ich meine erste Übernachtung haben sollte. Auf dem Weg dorthin waren deutlich die Spuren eines Waldbrandes zu sehen, welcher vor einigen Jahren im Torres Del Paine gewütet hatte. Verrückt. Am Refugio Los Cuernos angekommen, ging eine sonnenreiche und gefühlt unendlich lange Tagesetappe zu Ende.

2. Etappe – Verlaufen im wilden Patagonien

Das Tagesziel für die zweite Etappe war der Mirador Britanico, welchen man über einen 10 km langen und steilen Weg erreicht. Sie startete sehr früh morgens vor dem Sonnenaufgang, was sich als hervorragenden Plan von meiner spontanen Reisebegleitung Oliver und mir herausgestellt hat: Einerseits konnten wir so den Touristenmassen entgehen und dabei einen gigantischen Sonnenaufgang über dem Lago Nordenskjöld erleben. Anderseits bietet der Alleingang auch Potenzial für das Verlaufen im Wald. Irgendwie hatten wir den Pfad verloren, und aufgrund der frühen Stunde war niemand anderes unterwegs, wo wir hätten Fragen können – egal! An dem eigenen Aussichtspunkt oberhalb der Waldgrenze angekommen, peitschten orkanartige Windböen über unseren Köpfen hinweg. Umrandet wurde das Spektakel mit perfekter Sicht auf die typischen Granittürme und dem ständig krachenden Eisbruch der umliegenden Gletscher. Irre! Nach weiteren 20 km am Refugio Los Cuernos zurück angekommen, wurden 10,- EUR in ein Erfrischungsgetränk für den Tagesausklang umgehend sinnvoll investiert.

3. Etappe – Entspannte Sonnenaufgangstour am Lago Nordenskjöl

Reserviert man ein halbes Jahr im Voraus nicht die Unterkünfte, so können die Tagesetappen nicht ideal gestaltet sein. Meine nächste Übernachtung war der Camping Centrale, von Los Cuernos ein Katzensprung. Hingegen sollte die darauffolgende vierte Etappe dann zu einem Gewaltmarsch ausufern! Das Tagesmotto war also “Regeneration”. Das frühe Aufstehen wurde auch gleich mit einem sagenhaften Sonnenaufgang über dem Lago Nordenskjöl belohnt! Im weiteren Verlauf der 12 km Etappe ist man dann alleine entlang des Sees unterwegs und kann sich auf das Hier-und -Jetzt fokussieren. Schließlich trudelte ich dann etwas später am Camping Centrale ein. Da ich der Erste dort war, suchte ich mir den schönsten Platz heraus, baute mein Zelt auf und knüpfte alsbald Kontakt mit meinen Nachbarn: zwei chilenische Outdoor-Abenteurer. Folglich endete der Abend reichlich mit Pisco, dem chilenischen Nationalgetränk (Oder doch dem peruanischen Nationalgetränk?)! Eine Herausforderung war dann nur der Wecker, welcher am nächsten Tag um 3:15 Uhr klingeln soll …

4. Etappe – Nächtlicher Gewaltmarsch zu den Türmen des Torres Del Paine

Die letzte Etappe sollte ganz im Zeichen der berühmten “Türme des blauen Himmels” des Nationalparks Torres Del Paine stehen. Selbstverständlich sollte dort auch das begehrteste Souvenir des Nationalparks ergattert werden, ein Foto bei Sonnenaufgang! Da der Ausgangsort das Camping Centrale war, mussten also in der Nacht 10 Kilometer und 800 Höhenmeter überwunden werden. Der Wecker ging um 3.15 Uhr und nach einem kleinen Frühstück ging es um 4:00 Uhr morgens im Schein der Stirnlampe los. Der nächtliche Gewaltmarsch durch den mystischen und labyrinthartigen Wald wurde nach kurzer Zeit von Wind und Starkregen begleitet – das Abenteuer war grandios! Es war nass, man war etwas orientierungslos und musste höllisch aufpassen, dass man über keine Wurzel stolpert. Da so eine Aktion wirklich nur den völlig Irren vorbehalten ist, war man eben auch noch völlig alleine unterwegs. Nachdem ich die ganzen Schlafmützen im oberen Refugio Chileno überholt hatte, war ich bereits um 6:15 Uhr morgens an den Torres-Türmen: Völlig zu früh – es war immer noch Nacht, der Sonnenaufgang begann erst in einer Stunde! Also hieß es ausharren und bei eisigem Wind und Nässe warten, bis die Nacht zu Ende ist … Aah!

Nach gefühlten Stunden mit abgefrorenen Händen und Zehen setzte endlich die Dämmerung ein! Zunächst veränderte sich das Schwarze der Nacht in ein kaltes Blau. Kurz danach kamen dann endlich die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont – was für ein magischer Moment! Die Farbenpracht der drei berühmten Türme Torre Sur, Torre Central und Torre Norte transformierte sich in ein hübsches Orange und im Abschluss dann in ein warmes Gelb – irre! Die Dankbarkeit, welche man in diesem Moment verspürt, kann man kaum in Worte fassen! Die klirrende Kälte und der peitschende Wind war völlig vergessen!

Nach einer Weile des Genießens ging es irgendwann zurück, schließlich sollte es noch am gleichen Tag zurück nach Puerto Natales gehen. Erst jetzt bei Tageslicht wurde mir bewusst, was ich hier in meinem nächtlichen Fußmarsch abgelaufen habe – völlig verrückt! Nach weiteren 15 km erreichte ich dann um 12.00 Uhr den Parkausgang bei der Laguna Amarga und konnte den Bus nach Puerto Natales nehmen.

Resümee

Alles in allem muss ich feststellen, dass sich die sehr anstrengenden 72 Stunden definitiv gelohnt hatten. Wo kann man sonst 90 Kilometer Patagonien so intensiv erleben wie hier? Die Natur ist absolut einzigartig, die Landschaften sind gigantisch! Jedoch muss ich leider auch feststellen, dass man als Trekking-Abenteurer an jeder Ecke finanziell ausgenommen wird. Die Abgeschiedenheit des Parks wird definitiv völlig ausgenutzt: 10,- Euro für ein 0.5 Bier sowie 10,- Euro für ein einfaches Käse-Sandwich sind tatsächlich völlig überzogen. Darüber hinaus ist man organisatorisch absolut eingeschränkt, da jede Unterkunft idealerweise monatelang im Voraus reserviert werden muss. Nichtsdestotrotz ist der Besuch des Torres Del Paine Nationalparks ein definitives Must Do für jeden Outdoor-Enthusiast!

Saludos,
Christian

Der Nationalpark Torres Del Paine ist ein klassischer Pilgertraum für jeden Outdoor-Enthusiasten. Habt ihr auch schon einmal den Nationalpark besucht und den W-Trek oder sogar den O-Trek absolviert? Wie waren Eure Erfahrungen? Hat es sich für Euch ebenso gelohnt wie für mich? Schreibt es mir in die Kommentare!

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